2013 in der Offizin
1891
Gründung der Pelikan Apotheke in Düsseldorf-Unterbilk durch Apotheker Jakob Mestrum.
1908
Verkauf an meinen Großvater Apotheker Peter Pohlen.
1941
Mein Großvater Apotheker Wilhelm Knell übernahm die Pelikan Apotheke und heiratete die Tochter Therese von Peter Pohlen.
1951
Generationenwechsel: Apotheker Josef Knell und seine Frau, Apothekerin Doris Knell, veranlassen Umbau und Vergrößerung der Apotheke. Zu dem großen Labor zur Herstellung von Medizin wurde Lagerraum für Fertigarzneimittel benötigt.
1999
Apothekerin Dr. Dorothee Knell folgt in vierter Generation und organisierte den Einzug der Computer in die Apotheke. Ein Umbau 2004 ließ die Apotheke in neuem Licht erstrahlen.
2015
Verkauf der Pelikan Apotheke und damit leider krimireifer Absturz des Pelikans. Die Apothekenketten drangen in den attraktiv werdenden Stadtteil Unterbilk ein.
Jakob Mestrum besaß in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Adler Apotheke in Kaisersesch in der Eifel. 1885 verkaufte er sie und zog nach Düsseldorf. Hier plante er den Innenausbau und die Ausstattung seiner künftigen Apotheke. Die Ausführung seiner Einrichtung übernahm die Schreinerfirma Stürmann, Bilker Straße. Der Bildhauer Budde war für die Schnitzarbeiten des erlesenen Nussbaumholzes und die künstlerische Gestaltung verantwortlich.
Am 25. März 1891 erteilte der Oberpräsident der Rheinprovinz in Koblenz dem Apotheker Jakob Mestrum die Konzession zur Errichtung einer Apotheke in Düsseldorf in der Martinstraße 4 und zwar als Realrecht, gebunden an Haus und Grundstück. Die Initialen des Gründers JM sind im Schnitzwerk der Apotheke noch heute zu sehen. Die Glasgefäße sind ausnahmslos mundgeblasen, handgeschliffen und mit einem Emailleetikett versehen und bis heute noch fast vollständig erhalten- jedes Stück ein Unikat. Die Eröffnungsrevision der neuen Pelikan Apotheke hatte ein vorzügliches Resultat.
Schon 1895 verstarb Jakob Mestrum und seine Frau bestellte Apotheker Schulte als Verwalter. 1902 ging „der Pelikan“ in den Besitz von Dr. Wilhelm Wilke über, der ihn schon 1908 an Apotheker Peter Pohlen aus Uebach bei Geilenkirchen, meinen Urgroßvater, verkaufte. 33 Jahre hatte er das Steuer in der Hand und starb am 30. April 1952.
1941 übernahm mein Großvater, Apotheker Wilhelm Knell, die Pelikan Apotheke. Er wurde am 04. Februar 1900 in Düsseldorf-Hamm geboren, trat 1920 als Praktikant ein, studierte Pharmazie in Bonn, arbeitete nach der Approbation ein Jahr in der Delphin Apotheke und heiratete am 1. Mai 1927 Therese Pohlen, die älteste Tochter des Bilker Apothekers.
Ab 1941 waren die schweren Kriegsjahre zu überstehen. Beim Pfingstangriff 1943 wurde Bilk besonders stark von den Bomben heimgesucht und auch das Haus auf der Martinstraße 4 brannte lichterloh. Dank der Umsicht meines Großvaters und der tatkräftigen Hilfe vieler Bilker konnte der Brand gelöscht und die Apotheke gerettet werden, die dann bald noch zur Luftschutzuntersuchungsstelle für die Erkennung chemischer Kampfstoffe eingerichtet wurde. Ein großer Kellerraum wurde dafür zum Labor umfunktioniert.
So ging der Krieg 1945 gottlob zu Ende. Der „Pelikan“ mußte Federn lassen, hatte aber mit fast seiner ganzen Einrichtung überlebt. Nach den schweren Kriegsjahren mit den großen Engpässen in der Medikamentenversorgung der Biker Bevölkerung begann 1950 die Phase der Konsolidierung: Erste Bauarbeiten zur Beseitigung der Kriegs- und Wasserschäden betrafen das Labor und das Dach des Hauses.
1951 trat mein Vater Josef Knell als Praktikant in die Apotheke ein und legte 1958 sein Staatsexamen in Freiburg ab. Er heiratete 1958 seine Studienkollegin Doris Krieger und die beiden gingen zurück nach Düsseldorf und übernahmen 1968, nach dem Tode meines Großvaters, die Apotheke.
Um den Betrieb leistungsfähig, zeitgemäß und wirtschaftlich zu gestalten, war der Umbau 1973 und zugleich eine Vergrößerung der Offizier und bestehender Lagerräume nicht mehr zu umgehen. Zusammen mit dem Architekten Dipl.-Ing. Walter Nietsch machten meine Eltern Pläne mit dem obersten Gebot, die wunderschöne, kunstvolle und wertvolle alte Einrichtung um jeden Preis zu erhalten. So entstand mit viel Liebe zum Detail eine neue alte Apotheke. Wenn man nun die Offizier betrat, fühlt man sich in längst vergangene Zeit zurückversetzt. Die einzigartige Apothekeneinrichtung mit einer Fülle liebenswerter Kleinigkeiten zieht jeden traditionsbewußten Besucher in seinen Bann.
Trotz Bewahrung all dieser Schätze blieb der Betrieb jedoch nicht im vergangenen Jahrhundert stehen. Der Um- und Neubau schaffte Räume für eine Vielzahl pharmazeutischer Spezialitäten in damals modernen Schiebeschränken, während in den bewährten Schubladen der Offizier und in den Behältnissen und Standgefäßen im Medizinalkeller die Stoffe aufbewahrt werden, die seit eh und je Bestandteil der Heilkunde sind, und auf die sich auch die moderne Medizin immer wieder zurück besinnt: pflanzliche Stoffe, Extrakte und Tinkturen.
1987 beendete ich, Dr. Dorothee Knell, mein Studium der Pharmazie in Freiburg und hatte noch die Möglichkeit, in München an der LMU bei Herrn Prof. Theodor Severin in der Lebensmittelchemie zu promovieren. Zwei Jahre arbeitete ich danach in der Löwen Apotheke in München am Viktualienmarkt, bevor ich Ende 1995 nach Düsseldorf zurückkehrte, um meinem Vater in der Apotheke zu helfen.
1999 übernahm ich dann die Pelikan Apotheke von meinem Vater in vierter Generation. 3 Jahre später verstarb mein Vater völlig unvorhersehbar in den Räumen der Apotheke. Ein großer Schock für Familie, Bilker und alle Menschen, die meinen Vater kennen- und lieben gelernt hatten…ganz besonders für mich.
Die Arbeit in der Apotheke hatte sich, wie in vielen Branchen, sehr verändert. Als Kind hatte ich geholfen, Pillen zu drehen, Zäpfchen zu gießen und Hustensaft zu kochen. Die Arbeit fand im Labor statt. Fast alles wurde selbst hergestellt. Die letzten Jahre war oberstes Ziel ein schnelldrehendes, gut sortiertes Warenlager an Fertigarzneimitteln vorrätig zu halten. Auch die sogenannte Freiwahl, Kosmetik und freiverkäufliche Waren, brauchten Platz in der Offizin. Um den Anforderungen der Zeit gerecht zu werden, entschoß ich mich im März 2004 zu einem erneuten Umbau, bei dem zwar keine Wände eingerissen wurde, aber westentlich mehr Helligkeit und Präsentationsflächen geschaffen wurden. In der Architektin Elke Jäschke fand ich eine wertvolle Hilfe bei der Umsetzung des Planes. Die wunderschöne Einrichtung wurde durch Glas, Metall und viel Licht in ihrer Einzigartigkeit noch betont und strahlte in neuem Glanz.
2014 habe ich mich entschlossen, die Pelikan Apotheke abzugeben. Es gab keinen Nachfolger aus der Familie und ich wollte endlich wieder zurück in mein geliebtes München. 2015 übergab ich die Apotheke aufgrund Empfehlung meines damaligen Steuerberaters einem Bekannten von diesem und das Drama begann. Gröbste Fehler in der Geschäftsführung führten zur wirtschaftlichen Schieflage der Apotheke, um es harmlos auszudrücken. Unter anderem spielte Alkohol eine große Rolle, aber nichts passierte unverständlicher Weise von Seiten des Gesundheitsamtes. Notdienste wurden vergessen, die Betäubungsmittel wurden katastrophal dokumentiert, Hygiene gab es nicht und Beschwerden beim Gesundheitsamt stapelten sich. Im Juni 2018 konnte ich dem Apotheker endlich wegen nicht bezahlter Mieten die Räumlichkeiten kündigen. Hierbei deckte ich noch Drogenhandel auf, der von der Polizei schon länger beobachtet wurde. Keiner tat etwas.
Die Umsätze waren trotz allem noch sehr gut, allerdings war wegen fehlender Rechnungskontrolle die Gewinne im Keller. Ich dachte, die Apotheke wäre durch die Kündigung gerettet, habe aber nicht mit dem beginnenden bürokratischen Wahnsinn gerechnet. Eine Hürde zur Weiterführung und Wiedereröffnung dieser „Bilker Institution“ nach der anderen wurde vom Amtsapotheker Guido Scharf aufgebaut. Dazwischen immer lange Wartezeiten, angeblich wegen rechtlicher Abklärungen. Ich hängte Info-Blätter in die Fenster, um die Nachfragen der Bilker zu befriedigen. Keiner verstand diese großen Probleme. Auch die Presse (RP, DAZ, WZ) berichtete immer wieder. Eine große Apothekenkette wollte in den Stadtteil Unterbilk und es wurde immer offensichtlicher, dass mit allen Mitteln gegen die Wiedereröffnung des Pelikans gekämpft wurde. Am Tage der Eröffnung dieser großen Apotheke war für Insider des Geschehens vollkommen klar, dass die Eröffnung der Pelikan Apotheke verhindert werden sollte. Fast hätte die wunderschöne Einrichtung versteigert werden müssen. Bis zum Schluß wusste ich nicht gegen wen ich kämpfte, um die Apotheke zu retten. Ein ganzes Jahr war die Pelikan Apotheke geschlossen. Drei Rechtsanwaltskanzleien hatte ich eingesetzt, aber die wesentlichen Erfolge habe ich selbst erzielt und einem sehr guten Freund, Wolf Krey, zu verdanken. Er rettete die Apotheken Einrichtung vor einer öffentlichen Versteigerung, die die einzige Möglichkeit gewesen wäre, den Auflagen des Amtsapothekers gerecht zu werden. Krimireif! Wenn es nach dem Gesundheitsamt der Stadt Düsseldorf gegangen wäre, wäre alles zerstört worden.
Wir hatten es geschafft. Im Juli 2019 konnte die Betriebserlaubnis entgegen aller Hindernisse beantragt werden. Ich war sowieso aus München wieder nach Düsseldorf auf den Dachboden der Martinstraße 4 gezogen, um die Apotheke zu retten. Keiner wollte den gebeutelten Pelikan übernehmen. Eine über Jahrzehnte fast Jahrhunderte aufgebaute Kundenstruktur wieder aufzubauen war nach einem Jahr Schließung ein Wagnis. Der Amtsapotheker verweigerte mir, dass ich die Betriebserlaubnis selbst beantragte, da ich trotz Vertretungsarbeit exakt 2 Jahre nicht pharmazeutisch tätig war. Hierzu gibt es tatsächlich einen Paragrafen. Meine einzige Chance war, als Angestellte den Pelikan retten. Ein Bekannter, der gerade keine Stelle hatte, beantragte die Betriebserlaubnis und wollte in den „Krimi“ einsteigen mit seinem Kumpel als Steuerberater. Ein absolutes Wagnis. Es gab keine andere Möglichkeit, die Apotheke zu retten. Und der nächste menschliche Reinfall. Ich arbeitete Tag und Nacht, bekam keinen Einblick in die Zahlen und verlor nochmals über 100.000 Euro in den folgenden acht Monaten. Am 14. März 2020 habe ich den Pelikan für immer geschlossen.
Corona bestimmte das Weltgeschehen und die Räumlichkeiten des Pelikans ruhten. Im Mai 2020 meldeten sich zwei junge, engagierte Studenten, Aris Kelz mit seiner Freundin Laura. Sie hatten die Idee, ein Corona Testzentrum in den traditionsreichen Räumlichkeiten zu errichten. Gesagt, getan. Die Resonanz bei den Bilkern war, wie zu erwarten, groß. Endlich kam wieder Leben in die geliebten Räumlichkeiten.
Es ist spannend. Ich freue mich auf neue Ideen, die Räumlichkeiten wieder zu nutzen, und hoffe, dass der Pelikan aus der Rotunde der Einrichtung noch hoffentlich viele Jahre das Geschehen in der Martinstraße 4 beobachtet.